
Schulhof in Argo, 2012.
Verein PiN
Projects in Nubia
Enzenbühlstrasse 52a
8008 Zürich
mail@projects-in-nubia.ch
Schulhof in Argo, 2012.
'Nubien' ist ein weit gefasster Begriff zur Bezeichnung der Gebiete und Kulturen der mittleren Nilregion im heutigen Südägypten und Nordsudan. Als geographischer Begriff versteht man heute unter 'Nubien' das Niltal und die unmittelbar angrenzenden Gebiete zwischen dem oberägyptischen Assuan im Norden und dem sudanesischen Debba im Süden; also das Gebiet, in dem noch heute vorrangig die nilnubischen Sprachen Nobiin beziehungsweise Kenzi-Dongolawi gesprochen werden.
Das nubische Niltal wird durch sechs Katarakte durchbrochen, die nilaufwärts gezählt werden und die grossen Abschnitte der nubischen Geografie definieren. Zum Westen hin erstreckt sich die lybische Wüste, deren Sanddünen bisweilen bis an den Fluss stossen. Südlich des Nilknicks bei Debba beginnt die Bayuda-Wüste, die sich nach Süden allmählich in eine Trockensteppe wandelt. Östlich des Nils liegt die sogenannte nubische Wüste, die in die Berge am Roten Meer übergeht. Besonders im Norden beschränkt sich das bewohnbare Gebiet auf den schmalen Streifen fruchtbaren Landes beiderseits des Nils sowie auf die Nilinseln. So ist das nubische Niltal eine Flussoase im hyperariden Ostteil der Sahara.
Die Bildgalerie zeigt Nilandschaften zwischen dem dritten und vierten Nilkatarakt.
Die Region des mittleren Nils hat eine reiche und komplexe Geschichte, die Jahrtausende zurückreicht. Das erste historisch überlieferte Staatswesen war das Königreich Kerma in Obernubien, das um 2'500 v. Chr. entstand. Mit Beginn des neuen Reichs erlangten die Ägypter die Kontrolle über Nubien. Als sich Ägypten um 1100 v. Chr. aus der Region zurückziehen musste, vermochten sich im entstandenen Machtvakuum die aufeinanderfolgenden Königreiche von Napata (ab ca. 1000 v. Chr.) und Meroe (ab ca. 650 v. Chr.) zu etablieren. Nach dem Untergang des meroitischen Reiches bildeten sich in Obernubien die Nachfolgestaaten Nobatia, Makuria und Alwa, die gegen Ende des 6. Jahrhunderts zum Christentum übertraten und bis in die Periode des europäischen Mittelalters fortexistierten. Mit der Eroberung Ägyptens durch arabische Muslime ab 639 kam es im nördlichen Sudan zum ersten Kontakt mit dem Islam, der stetig mehr Anhänger fand. An die Stelle der nubischen Königreiche traten nach und nach neue, islamische, Gemeinwesen. Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Sudan eine britische Kolonie. Am 1. Januar 1956 wurde der Sudan in die Unabhängigkeit entlassen.
Die Bildgalerie gibt einen Einblick in das reiche archäologische und architektonische Kulturerbe der Region Kerma.
Die nubischen Sprachen, die zur nilosaharischen Sprachfamilie gehören, sind über ein großes Gebiet verstreut, das sowohl die nördliche Hälfte der Republik Sudan als auch den Süden Ägyptens umfasst. Der Nil-Nubische Zweig umfasst das Kenzi-Dongolawi, Nobiin mit den Dialekten Mahas und Fiyadikka sowie seinen mittelalterlichen Vorgänger, das Alt-Nubische. Die Nubier oberhalb (nilaufwärts) von Debba an der großen Flussbiegung haben in den letzten 200 Jahren ihre Sprache zugunsten des Arabischen aufgegeben und sich mit einwandernden arabischen Nomaden sowie mit den Beja, deren angestammter Wohnsitz die Bergwüste östlich vom Nil am Roten Meer ist. Die Region Kerma bildet heute die Sprachgrenze zwischen Dongolawi und Mahas. Beide Sprachen werden in der Region gesprochen aber nicht in den Schulen gelehrt.
Studien- und Forschungsberichte mit Bezug zu Nubien von PiN-Mitarbeitenden:
Marc Bundi, 2015: Taharqa on the Move. Zürich: Edition Vertex.
Projects in Nubia führt in Sudanesisch-Nubien verschiedene Projekte durch, die in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Expertinnen und Experten konzipiert und umgesetzt werden. Der geographische Schwerpunkt der Projekte liegt im Kerma-Becken südlich des 3. Katarakts. Aufgrund des seit dem 15. April 2023 andauernden Kriegs im Sudan ist die Arbeit an den Projekten derzeit ausgesetzt.
Die kriegerischen Ereignisse im Sudan verursachen in der Zivilbevölkerung viel menschliches Leid. Rund ein Viertel der Bevölkerung ist auf der Flucht. In weiten Teilen des Landes ist die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen. Die Ernährungslage ist angespannt und verschärft sich weiter. Im nördlichen Bundesstaat haben bis heute mehrere hunderttausend Menschen bei Freunden und Verwandten Zuflucht gefunden. In Absprache und Zusammenarbeit mit lokalen Gewährsleuten und Partnerorganisationen bereitet «Projects in Nubia» eine humanitäre Initiative zugunsten Not leidender Menschen in der Fokusregion Argo/Kerma vor. Für die Finanzierung dieser Initiative werden wir auf Ihre Spende angewiesen sein.
Ein konkretes Arbeitsfeld mit Bezug zur Lehmbauforschung eröffnete sich mit der Initiative von Abd al-Ilah al-Malik für den Bau eines Informationszentrums zur nubischen Kultur in Argo, südlich von Kerma. Im Zusammenhang mit der Planung dieses Zentrums («Nubian Heritage Interpretation Point») waren Analysen des Baugrunds und der verfügbaten Baustoffe notwendig. Zu diesem Zweck reiste im Februar 2023 Felix Hilgert von der Firma Lehmag mit dem Ziel nach Argo, den Baugrund zu prüfen und die für den Bau geeigneten Lehmbaumischungen zu bestimmen. Mit Blick auf die Realisierbarkeit des architektonischen Entwurfs wurden in Zusammenarbeit mit einer Equipe von einheimischen Fachkräften Lehmmischungen und Lehmbautechniken erprobt und getestet.
Die Bildgalerie gibt einen Einblick in diese Erprobungs- und Testphase.
Ein Set von 16 Gussaibas – tonnenförmigen Lehmspeichern unterschiedlicher Grösse – bildet den Kern der geplanten Ausstellung im «Nubian Heritage Interpretation Point». Anlässlich der ersten Begutachtungen der Gussaibas in den Jahren 2020 und 2022 stellte Andri Bundi vom Restaurierungskollektiv Atelier40a in Bern an den Gussaibas Schäden durch Termitenbefall und Regen fest. Aktive Termitennester wurden von den Gusseibas entfernt. Auf Empfehlung des Restaurators wurde entschieden, die inaktiven Termitennester erst bei der endgültigen Restaurierung zu entfernen. Aufgrund der Kriegshandlungen im Sudan verzögert sich die Restauration der Gusaibas und deren Überführung in einen Schutzbau.
Die Bildgalerie zeigt die Gussaibas an ihrem derzeitigen Standort.
Das vom Büro Boltshauser Architekten entwickelte Projekt für das «Nubian Heritage Interpretation Point» überzeugt durch seine schlichte Eleganz. Der Baukörper, der im Innenhof eines traditionellen nubischen Hauses eingespannt ist, besteht längsseitig aus hochaufragenden Wandscheiben aus Stampflehm, die ein verzinktes Trapezblechdach tragen. Die Dachkonstruktion wird im Inneren von Stampflehmsäulen getragen, die den abgesenkten zentralen Ausstellungsbereich gliedern und rhythmisieren. Das Gebäude verfügt längsseitig Wandscheiben über fensterartige Öffnungen, durch die Umgebungsluft einströmt. Durch selbstregulierende bauphysikalische Prozesse kühlt sich die Luft und im Gebäudeinneren ab und sorgt so für eine effiziente natürliche Belüftung und Kühlung.
Abd al-Ilah Abbas al-Malik. Argo, 2012.
Kaffeezeremonie. Kerma, 2012.
Der im März 2019 gegründet Verein Projects in Nubia (PiN) bezweckt die Förderung von Projekten, die der lokalen Gemeinschaft im sudanesischen Teil Nubiens zugutekommen und von ihr mitgetragen werden. Unterstützt werden kulturelle, sozialen und wissenschaftlichen Projekte, mit Gemeinwohlorientierung. PiN kann kulturelle, soziale und wissenschaftliche Projekte durchführen oder unterstützen. Ein Schwerpunkt des Vereins gilt der Erforschung und Bewahrung des nubischen Kulturerbes. Darunter fällt auch die Erforschung, Dokumentation und Erhaltung von ausgewählten Zeugen der traditionellen nubischen Lehmbauarchitektur.
Gründungsmitglieder des Vereins PiN sind Nicolas Müller, Patricia Jegher, Catherine Burkhard, und Marc Bundi.
Aufgrund des seit dem 15. April 2023 andauernden Kriegs im Sudan ist die Arbeit an laufenden Projekten ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der grossen menschlichen Not bereitet Projects in Nubia eine humanitäre Initiative zugunsten Not leidender Menschen in der Fokusregion Argo/Kerma vor. Für die Finanzierung dieser Initiative werden wir auf Ihre Spende angewiesen sein.
Gestaltung: Rebecca Da Bautista
Code: modem GmbH